ERBSCHAFT

Die dokumentarische Videoarbeit Erbschaft begibt sich tastend auf die Spuren von Abwesenden, indem es den Verweisen von Überresten auf eine vergangene Existenz folgt und das narrative Potential von Gegenständen als Anwesenheit von Abwesendem erforscht. Jede Gebrauchsspur ist eine Verlockung zum detektivischen Interpretieren und kann einerseits eine Vergangenheits- oder Herkunftsgeschichte aufdecken, andererseits durch Leerstellen auf falsche Fährten locken und zu phantastisch-assoziativen Hirngespinsten verführen. Oder auch schlicht mit einer angemessenen Befürchtung konfrontieren. Ein tappen im Dunkeln. Geschichten, die sich nie mehr scharf stellen lassen und verschwommen im Hintergrund murmeln. Eine alte Spieluhr, die gebrochen Man müsste noch mal zwanzig sein wimmert, eine Fotografie von Großvater in SS-Uniform. Erbschaft dokumentiert den Verfallsprozess eines Wohnorts und damit seine vom Verschwinden bedrohte Historie, als auch den Versuch, sich zu erinnern, der vielleicht immer schon durch das Imaginative mit Einbildung und Erfindung verbunden ist. In Erbschaft wird danach gefragt, ob Erinnern stets die Erinnerung verfälscht, wie wenn ein analoger Film erneut belichtet wird und damit das vorherige Bild auslöscht. Wie funktioniert deutsche Erinnerungskultur, wenn es um den eigenen geliebten Großvater geht, um seine Hände, die Befehle ausgeführt, einen in Kinderjahren hochgehoben und später die Spieluhr Man müsste noch mal zwanzig sein gedreht haben? Erbschaft reflektiert diesen Widerspruch in Erinnerungen, als auch der Umstand, dass nicht nur die Zeug:innenschaft aussterben, sondern auch die Täter:innen und  überlegt, in wie fern ein anderes Erinnern und Erzählen möglich ist, wenn die Täter:innen aus dem Raum verschwinden.